Tiere im Fokus!

Tierschutz Experten im Talk & inspirierende Projekte im Porträt.

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Kitten im Garten Eden © Christin Pogoriutschnig

Der letzte Sommer hat dem Tierheim Garten Eden in Klagenfurt viel abverlangt. Die Regenmassen der Sommergewitter überfluteten die aus Holz gebauten Unterkünfte, die Gärten und Auslaufzonen der fast 200 Tiere. Auch zu unserem Recherchebesuch bereitet man sich bereits auf die nächsten Regenfälle vor. Tierpfleger kommen selten zur Ruhe, die Arbeit hört nach der Schicht nicht auf. Verirrte, verlorene, verstoßene oder zurückgelassene Tiere werden nicht nur im Tierheim abgegeben, sondern den Pflegern oft auch privat zugetragen. Die Wolfsbergerin Anja Wirnsberger, die seit Kurzem im Garten Eden tätig ist, versorgt rund um die Uhr auch privat Wildvögel, Kitten und andere Tiere in Not. Schlaf ist eine Seltenheit. Haustiere werden abgegeben, Menschen entledigen sich der Verantwortung.

Wie viel Kraft die Versorgung von Tieren in Not den Helfern abverlangt, weiß die Belegschaft des Tierschutzkompetenzzentrums „TiKo“ Klagenfurt nur zu gut. Rund 130 Katzen, 50 Hunde und zwölf Kleintiere werden aktuell versorgt, rund 1200 Tiere gehen jährlich durch das Tierheim. Ein Alleinstellungsmerkmal hat die hauseigene Tierrettung, die in ganz Kärnten im Einsatz ist. 640 Einsätze fuhr sie im vergangenen Jahr. Der 24h-Dienst musste aus Kosten- und Kapazitätsgründen auf Dienstzeiten von 8 bis 22 Uhr reduziert werden.  Die Tierrettung ist für verunfallte, verletzte oder aufgefundene Haustiere verantwortlich. Wichtig zu wissen ist, dass das gefundene Tier vor dem Einsatz vom Finder gesichert, und der Anrufer beim Tier bleiben muss, bis die Rettung eintrifft. Findet man unverletzte Streunerkatzen, sollte nicht die Tierrettung verständigt werden. „Man kann Katzenfallen bei uns ausborgen – wann immer möglich, kann man das Tier zu uns bringen!“, appelliert TiKo-Mitarbeiterin Nina Zesar im Gespräch an Eigenverantwortung. Außerdem gilt, handelt es sich um ein Fundtier, dessen Besitzer ausgemacht werden kann, dass dieser für die entstandenen Kosten aufkommen muss. Aber nur in wenigen Fällen gibt es eine Rückmeldung und das TiKo muss die Kosten selbst stemmen. 

Präsidentin Dr. Tara Geltner ©Nina Zesar/TiKo

200.000 Euro im Jahr.  „Es gibt auch viele Anrufe für Wildtiere – dabei gibt es aber keine richtige Regelung, wer dafür zuständig ist“, so Zesar. „Es gibt Pflegestationen, aber niemanden, der die Tiere dorthin bringt. Uns ist es nicht erlaubt, Wildtiere zu transportieren.“ Wer ein verletztes (Wild-)Tier findet, kann es behutsam an sich nehmen und zum TiKo oder zum nächstgelegenen Tierarzt bringen. Das bestätigt auch Dennis Fingerl vom Garten Eden. „Wir erleben, dass schwer verletzte Tiere bei uns abgegeben werden, anstatt beim Tierarzt. Da ist es dann oft schon zu spät.“ Auf den Kosten oder gar dem Tier selbst bleibt man aber nicht sitzen, wenn man im Notfall mit einem fremden Tier zum Arzt fährt. „Selbst wenn man eine fremde Katze mit dem Auto erwischt, ist es immer sinnvoll, zum Tierarzt zu fahren.“ Viele Menschen würden sich vor verletzten Tieren ekeln – eines von vielen Grundproblemen im Tierschutz. Eine emotionale Distanz zwischen Mensch und Tier sieht auch die TiKo-Präsidentin Dr. Tara Geltner. Tiere werden als Ware anstatt als fühlende Wesen behandelt, so die ehrenamtliche Tierschützerin. „Wir sehen unsere Aufgabe darin, das Bewusstsein zu stärken, dass Tiere fühlende Wesen mit eigenen Bedürfnissen sind und jeder Tierhalter eine Verantwortung trägt.“ Adoption, Patenschaft und Spendenmöglichkeiten: Alles rund ums TiKo gibt es HIER

Schlüsselfaktor Kastration. Bereits in den 1980er-Jahren entstand das Tierheim Garten Eden (alle Infos HIER) als „Kärntner Katzenschutz-Verein“. Auch heute noch platzen die Katzenhäuser und -gärten aus allen Nähten, die Quarantäne-Station, in der Fundtiere im Sinne des Seuchenschutzes gesetzlich 30 Tage verweilen müssen, bis sie mit anderen Tieren in Kontakt kommen können, ist ebenfalls stetig voll – oft mit sehr jungen Tieren. „Kastration ist der wichtigste Faktor im Tierschutz“, so Fingerl. Kastriert man Streunerkatzen und bringt sie wieder in ihre gewohnte Umgebung zurück, verringert sich die Straßenkatzenpopulation und eine potenzielle Seuchengefahr exponentiell.  TiKo-Präsidentin Geltner sieht die Verantwortung auch bei Gemeinden: „Die verpflichtende Kastration von frei laufenden Katzen funktioniert nicht flächendeckend.“ Zwar gibt es Kastrationsgutscheine der Gemeinden und Kastrationsaktionen, da aber jedes Jahr hunderte Kitten geboren werden und teilweise sehr krank in den Tierheimen landen, müssten hier strengere Kontrollen stattfinden.

Tierärztin Mag. Sabrina Mureny mit Tierarztassistentin Alexandra Krawanja © DieDa

Auslandstierschutz und seine Gefahren. Die Tierheime sind sich einig: Die wohl größte Herausforderung sind Tierschutzprojekte im Ausland. Oft werden Straßenhunde adoptiert, ohne zu wissen, wie groß der Hund wird, welcher Rassecharakter sich entwickelt. Dazu kommt das Risiko, dass mitunter Krankheiten eingeschleppt werden. Auch die Veldner Tierärztin Sabrina Mureny appelliert an den Hausverstand: „Die Tierheime sind überfüllt. Es ist mir ein großes Anliegen, dass keine illegalen Tiertransporte mehr unterstützt werden. Das bedeutet, keine kranken Tiere aus Kofferräumen zu kaufen oder von ‚Vermehrern‘, die keine Ahnung von professioneller Zucht haben. Auch bei der Entscheidung, ein ‚Mitbringsel‘ aus dem Urlaub mitzunehmen, ist Vorsicht geboten. Im Ausland gibt es Krankheiten, die in unserem Land aufgrund von Impfprogrammen, regelmäßigen Tierarztkontrollen und unserem gemäßigten Klima nicht verbreitet sind.“ 

Für Geltner steht das EU-Projekt „Biocrime“ als Vorbild, welches den illegalen Tiertransport stoppen soll. Aber auch hierzulande werden Tiere krank vermittelt, weiß Mureny: „Problematisch sind ‚Hobbyzüchter‘, die Tiere oft in einem schlechten Zustand zu überhöhten Preisen vermitteln. Wir arbeiten mit dem Initiativkreis Tier und Natur zusammen, der sich um die Kastration von Streunerkatzen und die Vermittlung von Tieren in Not kümmert.“

Fiona und Sunshine am Melcherhof © Christin Pogoriutschnig

Lebenshof. Auch Hoftiere geraten aufgrund fehlenden Hausverstands in Notsituationen. Schweinchen oder Ziegenböcke, die zur Hochzeit geschenkt werden, Hoftiere aus verwahrloster Massenhaltung, ausgesetzte und kranke Tiere finden ihr Zuhause in Grafenstein. Am Tierpflege- und Gnadenhof „Melcherhof“  vom Verein für Tier- und Naturschutz in Österreich leben auf sechs Hektar 120 Tiere, für die jede Hoffnung verloren schien: 60 Hängebauchschweine, Ziegen, Schafe, Kaninchen, zwei Esel und Ponys genießen die Zuwendung der Tierpfleger, die an ihre Grenzen gehen. Als Tierheim, bei dem Tiere einfach abgegeben werden können, sollte man den Lebenshof aber nicht sehen. 

Hofleiterin Willemine van Ee und ihr Team setzen stark auf Hilfe in Notsituationen und darauf, die Tiere bestmöglich zu versorgen. Kostenlose Schulprojekte, tiergestützte Lernhilfe und ein informativer Melcherhof-Stammtisch gehören zu den wichtigen Projekten, die dazu beitragen sollen, dass Menschen in Zukunft Eigenverantwortung übernehmen und Tiere gar nicht erst in eine Situation kommen, aus der sie gerettet werden müssen. Dazu gibt‘s Urlaub am Bauernhof, Möglichkeiten der tageweisen Mitarbeit, Patenschaften, ein informatives Hoffest am 10. Oktober und mehr. Spendenmöglichkeiten und Patenschaften sowie Möglichkeiten zur freiwilligen Mithilfe gibt es auf tierundnaturschutz.at

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