Turmhohe Troubles

In Keutschach hat die Finanzverwaltung erhebliche Mängel bei Geldüberweisungen festgestellt. Es geht um mögliche Rechtsverstöße durch Bürgermeister Gerhard Oleschko. Dem MONAT liegen streng vertrauliche Unterlagen vor. Der Keutschacher Bürgermeister Gerhard Oleschko ist heftiger Kritik ausgesetzt. Hier ist der Artikel aus dem MAI-Heft!

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Eigentlich sind „die Keutschacher“ ja ausgestorben. Auf dem heutigen Gemeindegebiet lag nämlich der Stammsitz des Rittergeschlechts der Keutschacher. Prominentestes Familienmitglied: der Salzburger Erzbischof Leonhard von Keutschach. Doch der Clan übernahm sich: Mit dem Bau von Schloss Tanzenberg im Bezirk St. Veit an der Glan stiegen die Schulden und sank das Ansehen. 1773 erlosch das Geschlecht. Heute ist Keutschach quietschfidel. 2400 Einwohner leben in der beschaulichen Gemeinde im Kärntner Süden. Mittendrin das Wahrzeichen: der Holzturm am Pyramidenkogel mit Aussicht auf die Kärntner Seen. Doch die Postkarten-Idylle trügt. Hinter der touristischen Glanzfassade brodelt es politisch. Bürgermeister Gerhard Oleschko (Team Kärnten), der das Amt 2021 überraschend von Karl Dovjak (SPÖ) zurückgewann, ist in Sachen Personalverbrauch nicht zimperlich: Seit 2021 hat er bereits zwei Amtsleiter ausgetauscht. Auch Gerichtsverfahren gegen Mitarbeiter, etwa wegen eines fragwürdigen Kettenvertrags, sind Oleschko nicht fremd.

Freihändige Anweisung. Auch mit der Kärntner Gemeindeaufsicht legte sich Oleschko an. Diese verlangte wegen fehlender Budgetbeschlüsse die Einberufung einer Gemeinderatssitzung. Dem kam Oleschko nicht nach, weshalb die Aufseher ihm mögliche strafrechtliche Konsequenzen androhten. Auch an anderen Fronten schafft Oleschko brisante Situationen: 2023 sorgt er persönlich dafür, dass einem Malereibetrieb rund 60.000 Euro Leistungsentgelt überwiesen werden. Das aber ausgerechnet im Duo mit Gemeindevorstand Jürgen Moser – dessen Familie der Malereibetrieb gehört. Der Zahlschein trägt Oleschkos und Mosers Unterschrift, wie auch die Kleine Zeitung berichtete. Doch das ist noch nicht alles: Wie aus Unterlagen hervorgeht, lag die „Kosten-schätzung“ bloß bei „EUR 39.783,60“. Und es gab offenbar „keinen Beschluss“ im Gemeinderat, sondern nur im Gemeindevorstand. Doch der darf nur bis maximal 40.000 Euro entscheiden. Auch das Konto soll „keine Bedeckung“ gehabt haben. Es wurden auch „keine Angebote“ eingeholt, um Vergleichspreise zu haben. Laut einem Aktenvermerk verweigerte die Finanzverwalterin ihre Unterschrift auf der Ausgabenaweisung, „da die Zahlungen (…) ohne rechtliche Grundlage von Herrn BGM Oleschko und Herrn GV Moser durchgeführt wurden“. Auch zwei weitere Anweisungen wurden 2023 in dieser Manier abgehandelt.

Barocke Finanzgebarung. Doch auch das ist bei Weitem noch nicht alles. Dem Kärntner MONAT liegen exklusiv Ausgabeanweisungen der Gemeinde aus dem Jahr 2024 vor. Und die zeigen eine mitunter absolutistisch anmutende Finanzgebarung. Ein wichtiges Detail vorweg: Das Keutschacher Gemeindebudget 2024 ist bis heute (!) nicht beschlossen. Das bedeutet: Es galt im Vorjahr die sogenannte Zwölftelregelung. Die Gemeinde durfte jeden Monat nicht mehr als ein Zwölftel des Vorjahresbudgets (2023) ausgeben. Wie die streng vertraulichen Unterlagen zeigen, hielt sich Oleschko nicht daran. Anfang September 2024 flattert eine Rechnung eines Asphaltunternehmens ins Postfach der Gemeinde. Offenbar geht es um die Sanierung der Straßenbeleuchtung. Die Rechnung selbst ist nicht sonderlich hoch: rund 5400 Euro. Aber: Der offenbar akribisch arbeitenden Finanzverwalterin scheint die Begleichung der Rechnung nicht geheuer zu sein. Denn die Anweisung widerspricht ihrer Ansicht nach der Zwölftelregelung. Daraufhin legt sie einen Beharrungsvermerk an. Der wird schlagend, wenn der Bürgermeister trotz geltender Zwölftelregelung oder anderer Hemmnisse auf der Anweisung beharrt. Die Notizen der Finanzverwalterin werfen ein fahles Licht auf Oleschkos Haushaltsführung: „Lt. Bgm. Oleschko Gesamtkosten i.d. Höhe von EUR 185.000,–“, schreibt sie. Dem stehen aber tatsächliche Kosten von fast 271.000 Euro gegenüber, wie das entsprechende Konto zeigt. Aber die Malaise geht noch weiter: Es fehlen Beschlüsse des Gemeinderats und ein Finanzierungsplan, wie die Prüferin vermerkt.

Möglicher Gesetzesverstoß. Die Mitarbeiterin listet anschließend penibel mehrere Paragrafen auf, gegen die die Geldüberweisung verstoßen soll. Gesetzlich ist die Finanzgebarung im Gemeindehaushaltsgesetz und in der Gemeindeordnung geregelt. Während der Zwölftelregelung „dürfen nur jene Auszahlungen geleistet werden, die bei sparsamster Wirtschaftsführung notwendig sind“. Außerdem dürfen Ausgaben nur im Rahmen der „laufenden Verwaltung“ getätigt werden. Das „ist die Besorgung der regelmäßig vorkommenden Verwaltungsaufgaben der Gemeinde (…)“. Aber obwohl die Mitarbeiterin bezweifelt, dass solche Investitionen zur laufenden Verwaltung zählen, lässt Oleschko das Geld am 25. September überweisen. Aber die Unterlagen bergen noch mehr Zund: Im Oktober 2024 beharrt Oleschko auf der Bezahlung von mehr als 29.000 Euro an eine Bauservice-Firma. Es geht wieder um Straßenbeleuchtung. Die Kosten entsprechen laut der Finanzverwaltung ausdrücklich nicht der „laufenden Verwaltung“. Die Anweisung wird von der Finanzverwalterin auch nicht unterschrieben, sondern „i.V.“ vom Tourismusleiter der Gemeinde. Auch die Prüfung, ob die Rechnung „sachlich und rechnerisch richtig“ ist, übernimmt nicht die Finanzverwalterin. Sondern: Oleschko selbst.

Laut Bgm. Oleschko Erhöhung von EUR 130.000,– auf EUR 180.000,–“, setzt sie fort, um schließlich darzulegen, dass „mit dieser Rechnung bereits Gesamtkosten i. d. Höhe von EUR 200.535,71“ angefallen seien. Also 70.000 Euro mehr als ursprünglich angenommen. Auch diese Rechnung zeichnet Oleschko selbst als „sachlich und rechnerisch richtig“ ab. Um kontrollieren zu können, „wie viel Geld vom Bürgermeister ausgegeben wurde, obwohl kein Budget vorhanden ist“, hat der Gemeinde-Kontrollausschuss eine „Budgetüberwachungsliste 2024“ eingeführt. Das ist einer Niederschrift vom 5. November 2024 zu entnehmen. Diese Liste führt rund 732.000 Euro an Ausgaben an. Es ist nicht anzunehmen, dass diese Gesamtsumme gegen die Zwölftelregelung verstößt. Dennoch hat Oleschko auf der Ausgabe von zig Tausend Euro beharrt, obwohl die Finanzverwalterin ihn auf einschlägige Gesetze hingewiesen hat. Oleschko selbst betont, dass die Gemeinde finanziell gesund dastehe. Und das stimmt. Keutschach sitzt im Gegensatz zu fast allen anderen Kärntner Gemeinden auf Liquiditätsreserven. Der Gemeindechef bestreitet aber ein willkürliches Vorgehen bei den Ausgaben: „Es gibt Ausnahmen“, sagt Oleschko, „etwa bei Gefahr im Verzug, unabwendbarem Bedarf oder rechtlichen Verpflichtungen“. Zu den Ausgaben für die Straßenbeleuchtung sagt er, dass diese „nicht aufschiebbar“ gewesen seien, „da eine große Anzahl von Bürgerbeschwerden mit dem Hinweis auf massive Sicherheitsbedenken bei der Gemeinde eingelangt sind“. Dem habe er nachkommen müssen.

Werbefreudiger Oleschko. Ob der nächste Fall in die Kategorie Pflichtausgaben fällt, ist zu bezweifeln: Im November 2024 werden rund 7000 Euro an einen Verein zur Förderung der Gesundheit von Kindern bezahlt. Oleschko beharrt auf der Bezahlung, obwohl die Finanzverwalterin notiert, dass „kein Vertrag vorhanden“ sei, es sich nicht um laufende Verwaltung handle und ein „GR-Beschluss notwendig“ wäre. Auf der Rechnung steht: „Pyramidenkogel Werbung. Sponsoring Fußball“. Sachlich und rechnerisch richtig wird es abermals von Oleschko abgezeichnet. Wenn es um Werbung geht, hat Oleschko offenbar ein offenes Herz: Einem Klagenfurter Sportverein spendet die Gemeinde 300 Euro für einen Wettbewerb. Im Gegenzug bietet der Verein an, dass Oleschko nach dem Rennen bei der „Siegerehrung auch die Preise vergeben“ darf. Die Gemeinde antwortet: „Herr Bürgermeister Oleschko wird beim Zieleinlauf dabei sein.“

27.000 Euro für Anwalt. Begünstigter von Oleschkos Negierung der Einsprüche der Finanzverwalterin ist auch ein bekannter Kärntner Anwalt: Christian Leyroutz. Er schickte 2024 zehn Rechnungen in Gesamthöhe von mehr als 27.000 Euro brutto an den Bürgermeister. Oleschko sieht keine Verfehlung: Die Beauftragung von Leyroutz „erfolgte ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeiten. Ein Gemeinderatsbeschluss ist nur dann erforderlich, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die dem Gemeinderat ausdrücklich vorbehalten sind.“ Doch der Gehalt dieser Aussage ist zu bezweifeln. Denn „die Beauftragung von Rechtsanwälten zählt grundsätzlich nicht zur ,laufenden Verwaltung‘“, regelt die Gemeindeordnung. Leyroutz‘ Arbeitsverzeichnis listet zwar genau auf, was der Anwalt für die Gemeinde geleistet hat, doch die Gemeindeordnung sieht vor, dass Anwälte nur in speziellen Fällen vom Bürgermeister allein beauftragt werden dürfen: bei Einbringung und Einspruch gegen Mahnklagen bis 5000 Euro; wenn die Gemeinde beklagte Partei ist; und bei Revisionen, wenn der Bürgermeister beklagte Behörde ist. Und das trifft auf Leyroutz‘ Rechnungen jedenfalls nicht vollumfänglich zu. Das sieht auch die Finanzverwalterin so. Sie notiert auf den Ausgabeanweisungen: „Weisung von BGM an AL“ (Amtsleiterin, Anm.), „keine laufende Verwaltung“, „GR-Beschluss notwendig“. Acht von Leyroutz‘ Rechnungen wurden von Oleschko für sachlich und rechnerisch richtig befunden, zwei von gar niemandem unterschrieben – aber trotzdem angewiesen. Spendabel zeigte sich Oleschko auch gegenüber der Jugendfeuerwehr. Die kleidete er mit „Hose, Jacke, Helm“ ein.

Die Ausrüstung für „23 Kinder“ und sechs weitere Personen kostete rund 10.500 Euro. Die Finanzverwalterin notierte trocken: „Keine Notwendigkeit für den (…) Ankauf v. Bekleidung f. Jugend u. Kinder“. Außerdem belegt ein Gemeinderatsprotokoll vom 15. Oktober 2024, dass zwar die Gründung einer Jugendfeuerwehr beschlossen wurde. Die Kosten sollten aber bestenfalls bei lediglich 1300 Euro liegen, höchstens bei 4700. Jedenfalls nicht bei 10.500. Und dann noch ein kurioses Bonmot: Im November 2024 kauft die Gemeinde 25 Flaschen Schnaps bei einem Likörhändler in Feldkirchen. Kosten: Rund 410 Euro. Und obwohl die Prüferin „keine laufende Verwaltung“ auf die Anweisung schreibt, wird der Betrag überwiesen. Spätestens jetzt stellt sich die Frage, ob die Kärntner Aufsichtsbehörde von diesen Belegen weiß. Die kurze Antwort: „Nein“, sagt Stefan Primosch, Chef der Gemeindeaufsicht. Er weiß zwar ums Thema, „zuerst muss aber der Kontrollausschuss eine Stellungnahme abgeben. Auf die warten wir.“ Sollte Oleschko gegen Gesetze verstoßen haben, „kann es im schlimmsten Fall strafrechtliche Folgen haben“, sagt Primosch. Es wäre nicht die erste Androhung dieser Art. 

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