© Tine Steinthaler
Der Frühling ist unangefochten meine Drittlieblingsjahreszeit. Geschlagen nur von den Kollegen Sommer und Winter, in genau dieser Reihenfolge. Platz drei mag auch damit zu tun haben, dass ich im Frühling so richtig anpacken muss. Der Garten soll auf Vordermann gebracht, Geräte geölt, geputzt und gepflegt werden. Das wäre an sich ja noch erträglich – müsste ich mich nicht zu allem Überdruss auch noch mit zwei Vögeln herumschlagen.
Der eine ist ein prächtiges Exemplar, in der Fachsprache Dendrocopus Major genannt. Auf gut Deutsch: ein Buntspecht. Ihn selber bekomme ich zwar selten zu Gesicht, aber der gute Herr Specht arbeitet ohne Zweifel mehr als ich. Und zwar vorwiegend vormittags. Dann, wenn unser Haus meistens unbewohnt erscheint und ihn niemand davon abhalten kann, faustgroße Löcher in unsere Hausfassade zu hämmern. Alles hab ich schon versucht, glauben Sie mir! Aber er, der Vogel, scheint immer eine Antwort parat zu haben. Wenigstens weiß ich jetzt, warum man seitens der Kärntner Wohnbauförderung so sehr auf eine extra dicke Dämmung bestanden hat. In dem Teil, den Herr Specht nämlich an der Fassade gelassen hat, schläft es sich für Buntspecht-Familien angeblich besonders fein. Sachdienliche Hinweise zur Specht-Beseitigung werden unter der Mail-Adresse am Ende des Textes gerne entgegengenommen …
Der zweite Vogel, der meine Frühlingsgefühle massiv ins Wanken bringt, ist einer meiner Nachbarn.
Florian Zuschlag
Herr Sperber. Herr Sperber hat Pole Position bei allen Gartenarbeiten. Während der Wintermonate bekommt man ihn nie zu Gesicht. Böse Nachbarszungen orakeln, dass er da zu Übungszwecken Wohnzimmerteppiche vertikutiert, Topfpflanzen umsticht und das Fell seines Langhaarkaters mit dem Rasenmäherroboter auf stabile drei Zentimeter trimmt. Aber jetzt, da mich Herr Specht ohnehin schon zur Weißglut bringt, hat auch noch Herr Sperber nach erfolgreichem Winter-Indoortrainingslager und somit erfolgter Quali die Pole Position eingenommen. Egal wann, egal was ich im Garten mache: Er ist da.
Englische Gärten sind im Vergleich zum Sperber’schen Anwesen ein schlechter Scherz. Täglich wird gezupft, gejätet und ausgerichtet. Ausgerichtet? Jawohl. Er braucht nicht zu glauben, dass ich nicht sehe, wie verächtlich mitleidig er tagein, tagaus meinen Rasen beäugt. Ein Stück Grün, das ohne künstliche Intelligenz und frei von jedem Gärtner-Talent dann gemäht wird, wenn ich muss und nicht, wann ich will. So leben wir also Zaun an Zaun. Der Herr Sperber und einer mit einem Specht in der Fassade. Aber ich habe gelernt, mich zu wehren. Lagerfeuer richte ich längst nach dem Wind aus – und verpeste so Herrn Sperbers Blumenarrangements. Die Betonwand, die dazu da ist, unsere Solar-Paneele zu stabilisieren, habe ich für meine Söhne zur Torschusswand umfunktioniert. Tägliches Training inklusive.
Aber der Höhepunkt meiner nachbarschaftlichen Retourkutsche folgt erst. Per Video. Herr Sperber hat sich nämlich aus Angst vor nächtlichen Besuchern in seinem Garten Wildkameras installiert. Sie wissen schon, das sind diese Teile, mithilfe derer man auch schon Politiker in fremden Revieren auf frischer Tat ertappte. Aber zurück zu Herrn Sperber und seinen Kameras. Weil der gute Mann nämlich allen Ernstes glaubt, dass sein Garten nachts von Wildschweinen heimgesucht werden könnte, kann man ihm diesen Wunsch doch nicht abschlagen. Nicht was Sie jetzt glauben! Ich habe mir lediglich online ein Wildschweinkostüm bestellt, samt Gewa – den typischen Eckzähnen eines echten Keilers. Als solcher werde ich in einer mondlosen Nacht vor den Kameras posieren. Vielleicht beiße ich ihm sogar einen
Krokus ab, mal sehen …Hab ich Ihnen schon erzählt, wie gerne ich den Frühling habe? Wenn dem nicht so wäre, müsste man eigentlich einen Vogel haben. Oder zwei.
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