Der Sänger Lemo

Lemo: „Wer soll den Karren aus’m Dreck ziehen?“

Musiker Lemo startet mit einem Unplugged-Album in den Herbst und spricht mit uns über Versagensängste, Selbststärkung, Papasein und durchzechte Nächte.

8 Min.

© Vanessa Hartmann

Seine Stimme ist einzigartig dirty. Mit seinen Songs berührt er die Menschen – und reißt sie mit. Clemens Kinigadner alias Lemo schallt seit über zehn Jahren aus den heimischen Radios und rockt auf sämtlichen Bühnen des Landes.

Es war einer der heißesten Tage dieses Sommers, als wir ihn im Wiener Schlossgarten Schönbrunn auf einem schattigen Bankerl zum Gespräch trafen. Seit zehn Jahren steht er auf der Bühne, seit ein paar Monaten ist er zweifacher Papa und hat in den letzten Jahren viel über das Erwachsensein nachgedacht.

Am 30. August erscheint dein drittes Album, das vierte ist bereits in Arbeit – es läuft, könnte man sagen. Es gab aber auch eine Zeit, in der du deine Stromrechnung nicht zahlen konntest. Doch du hast nie aufgegeben, Musik zu machen.

Lemo: Den Gedanken ans Aufhören hatte ich oft, aber ich hab es nie getan. Ich hab es in einen Song verpackt (Anm.: „So leicht“, 2015, aus dem ersten Album „Stück für Stück“). Als Musiker habe ich einen extrem unsicheren Beruf. Es könnte auch in einem Jahr vorbei sein. Das wird natürlich immer unwahrscheinlicher, aber ich muss halt ständig liefern, wenn nicht, wird’s vorbei sein, ist so. Man muss ständig dranbleiben und dran arbeiten, sonst passiert nix.

Wie gehst du mit dem Erfolgsdruck um?

Den größten Druck machen nicht die anderen, sondern man selbst. Beim zweiten Album (Anm.: „Irgendwas mit Dreißig“, erschien 2022) war das extrem. Ich dachte mir, ich muss jetzt unbedingt den nächsten Radiohit nachlegen, ich war überhaupt nicht frei beim Schreiben. Momentan ist es cool. Ich hab kein Gefühl von großem Druck. Ich mach das, wozu ich Lust hab, und schau, was passiert. Ich bin mittlerweile draufgekommen, dass man nie genau sagen kann, was den Leuten taugt und worauf sie anspringen. Sicher entwickelt man mit der Zeit eine gewisse Expertise, zu wissen, was handwerklich gut gemacht ist, aber ob es dann wirklich mit den Leuten connectet, kannst du nicht sagen. Ich schreibe jetzt also, wozu ich Lust habe, und wenns nix tut, tut’s nix, und wenn schon, dann ist’s gut.

Vom ersten zum zweiten Album vergingen sechs Jahre. Jetzt bringst du zwei Jahre nach deinem letzten Album eine Unplugged Compilation he­raus. Wann kommen neue Songs und in welche Richtung gehen diese?

Ich arbeite die ganze Zeit „nebenbei“ an neuen Songs und dem neuen Album – es wird nächstes Jahr erscheinen. Das Vaterwerden und auch das Erwachsenwerden spielen dabei sicher eine Rolle. Aber es ist noch zu früh, um eine klare Richtung zu sagen.

Vor ein paar Monaten kam dein zweiter Sohn zur Welt. Wie geht es dir als zweifachem Papa?

Ich muss sagen, es ist wahnsinnig anstrengend, nimmt viel Zeit in Anspruch und ist mit der Arbeit manchmal schwer zu vereinbaren. Aber ich habe eine extrem coole Partnerin an meiner Seite, die mir die Zeit freischaufelt, damit ich meine Musik machen kann.

Deine Songs haben einen sehr rockigen Touch, obwohl sie zur Kategorie Pop gezählt werden. Deine Stimme ist eine prädestinierte Rockröhre. Tust du dir schwer damit, in Genres und Kategorien eingeordnet zu werden?

Das ist normal, die Leute wollen einen einfach irgendwo einordnen können. Ich hab aber lang damit gehadert, weil ich absolut aus dem Rock komme, damit hat mein Musikerdasein begonnen. Mittlerweile wird mein Geschmack und meine Musik immer poppiger und ich bin cool damit. Lange wollte ich nix mit Pop zu tun haben, dachte immer, das ist das Uncoolste, was man machen kann – find ich mittlerweile gar nimmer. Ich mag Refrains, die ins Ohr gehen. Zum Beispiel Nirvana, das war damals DIE Grunge-Band. In Wahrheit ist das aber von der Struktur her auch Pop – extrem eingängige Refrains, nur wild verpackt.

Der Sänger Lemo
Lemo © Vanessa Hartmann

Was hörst du privat gerne?

Ich höre sehr wenig Musik. Das ist wie bei einem Zaubertrick – wenn du weißt, wie er gemacht wird, dann ist es gar nicht mehr so beeindruckend, die Magie geht irgendwie verloren. Aber ich erkenne gutes Handwerk. Zum Beispiel Taylor Swift: Das ist extrem gutes Songwriting-Handwerk, aber es reißt mich jetzt nicht so wahnsinnig mit. Dann gibt es Leute, die in der Musik wirklich Kunst machen – aber das find ich oft schwierig oder anstregend anzuhören. Und dann gibt es ganz wenige, die machen Kunst in der Musik und es ist auch noch so richtig leiwand. Wie zum Beispiel aktuell Schmyt, der macht was für mich sehr Neues mit deutscher Sprache und ist musikalisch auch wahnsinnig spannend.

Auf deinem Unplugged-Album spielst du deine Songs ohne Strom und Gas. Mit sehr viel Stimme und Gefühl. Im Song „Schwarze Wolken“ geht es zum Beispiel darum, aus einem Tief herauszukommen. Was war der Anlass für dieses Lied?

Das habe ich im ersten Corona-Lockdown geschrieben. Ich war viel zu Hause und konnte meinen Beruf nicht ausüben, hatte eine depressive Phase. Und da geht es darum, dass man da selber wieder rauskommen muss, weil es sonst niemand für einen tun kann. Wer soll denn den Karren aus dem Dreck ziehen, außer du selbst? Ich glaub daran, dass Selbststärkung hilft und jede Scheiß-Situation vorbeigeht.

Hast du manchmal Versagensängste?

Ja, sehr oft! Immer wenn ich einen Song fertig habe, denke ich mir: Das war’s jetzt, ich kann nie wieder einen neuen Song schreiben! Es ist jedes Mal ein kompletter Neuanfang, ein weißes Blatt Papier.

Manchmal kommt die Kritik, dass du zu Deutsch-Deutsch singst und nicht im österreichischen Dialekt. Warum ist das so – und wie gehst du grundsätzlich mit Kritik um?

Meine Mama ist aus Vorarlberg, mein Papa aus Tirol, ich bin im Burgenland geboren, in Graz aufgewachsen und lebe jetzt seit über 15 Jahren in Wien. Ich habe keinen Ursprungsdialekt. Ich rede Österreichisch, aber nicht hart im Slang. Kritik im Internet nehme ich nicht wirklich ernst. Wenn jemand auf YouTube kommentiert, dass er das Lied schon zu oft im Radio gehört hat und es ihm auf die Nerven geht, tja … wenn sich jemand bemüßigt fühlt, sich über ein Lied aufregen zu müssen, sagt das wohl mehr über die Person aus als über das Lied.

Du hast die Schule mit 17 abgebrochen und ziemlich viele Jobs ausprobiert – von Pizzalieferant bis Vermögensberater. Was würdest du deinen Söhnen raten, wenn sie als Jugendliche das Gleiche vorhaben?

Ich würde sagen, solange sie einen Plan haben – und den habe ich immer gehabt, nämlich Musiker zu werden –, sollen sie machen, was sie wollen. Ich bin nicht der größte Fan unseres Schulsystems, da gibt es viele Verbesserungsmöglichkeiten. Es ist hart, sich in der Jugend entscheiden zu müssen, was man sein Leben lang machen will – grad in einer Phase, in der man keinen Plan hat. Wegen meinen Kindern mache ich mir da keinen Stress, die werden das schon hinkriegen (lacht).

Was können wir in Zukunft noch von Lemo erwarten? Schreibst du eventuell ein Buch oder bringst du eine Modelinie heraus?

Lustig, dass du das fragst – beides interessiert mich (lacht). Ich kann mir sehr gut vorstellen, mal ein Buch zu schreiben. Ich probiere gerne Sachen aus. Was zum Beispiel niemand weiß: Ich schreibe auch Gedichte. Die werde ich sicher nie veröffentlichen, aber es taugt mir, sie zu schreiben. Und in letzter Zeit entwickelt sich auch tatsächlich die Lust auf Mode, vielleicht mach ich in die Richtung wirklich mal was. Auch das Fotografieren taugt mir extrem – ich kann mir gut vorstellen, das irgendwann mal zu vertiefen.

Wie entstand der Name Lemo?

Das war mein Spitzname als Jugendlicher. Clemens – Clemo – Lemo … als ich meinen ersten Song veröffentlichte, brauchte ich einen Künstlernamen und mir fiel nix anderes ein. Am Anfang haben Leute dann gemeint, was das für ein Name sein soll, das sei ja ein Karriere-Verhinderer (lacht).

Und woher kommt deine raue, einzigartige Stimme? Auch aus den durchzechten Nächten in deiner Jugend?

Ja, das wird vielleicht mitspielen, ich hab’s oft krachen lassen (lacht). Zum Teil ist es wahrscheinlich auch Genetik. Aber vor allem ist es einfach meine Art, zu singen. Ich kann auch reine Töne singen (liefert eine kleine Kostprobe als Beweis), aber das find ich nicht so cool. Ich leg’s ja auch drauf an, dass es so klingt, wie es klingt, das ist halt mein Sound.

Clemens Kinigadner alias Lemo
© Vanessa Hartmann

Findet Lemo

06. September: Eichenwald Open Air, Horitschon (Bgld)

07. September: Burgruine Hohenegg, Hafnerbach (NÖ)

24. Oktober: Johann Pölz Halle, Amstetten (NÖ)

25. Oktober: Bühne im Hof, St. Pölten (NÖ)

26. Oktober: Salzhof, Freistadt (OÖ)

06. November: Forum Kloster, Gleisdorf (Stmk)

07. November: KOMMA, Wörgl (T)

9 .November: Attergauhalle, St. Georgen im Attergau (OÖ)

18. Dez., Brucknerhaus, Linz (OÖ) – das einzige Unplugged-Konzert!

www.lemomusic.com
Instagram: captain.lemo

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