Top-Beamter im Visier der Dienstaufsicht

Recherchen des Kärntner MONAT zwingen den Landtag zu einer heutigen Sonderpräsidial-Sitzung

7 Min.

Kärntner Landhaus ©wikipedia/Jaritz

Personalabteilung durchforstete Arbeitszeitaufzeichnung des Landtagsdirektors. Ihm werden gravierende Fehlangaben in der Zeiterfassung vorgeworfen. Rückzahlung von Geldern droht. Disziplinarverfahren stand im Raum.

VON FRANZ MIKLAUTZ

Am Anfang stand Erstaunen: „Ich bin bass erschüttert, dass solche Papiere durch die Gegend schwirren“, trifft die MONAT-Recherche einen hohen politischen Repräsentanten des Landes offenbar unvorbereitet. Er (oder sie) ist über die Anfrage hörbar perplex. „Ich bin ein bisschen sehr überrascht, dass das solche Wege nimmt“, gibt die Auskunftsperson zu verstehen. Mit der Betonung auf „sehr“. Man möge ihren Namen nicht veröffentlichen, urgiert die Person. Und auch sonst jeden Bezugspunkt zu ihr vermeiden. Das ist in der Regel – nicht immer! – ein Indiz dafür, dass eine Sache heiß sein könnte. Doch die sei es nicht, sagt die Person: „Für mich ist die Suppe so dünn“, dass man dazu nichts sagen könne.

Möglicherweise trifft das zu – möglicherweise ist es nur Beschwichtigung. Denn am Ende des Gesprächs, blitzt ungewollt ein erster Anhaltspunkt hervor: „Ich weiß, dass es Ermittlungen …“,  – dann reißt der Satz mit hartem Schnitt ab. Vielleicht weil der Person das Wort „Ermittlungen“ im Augenblick des Aussprechens zu wuchtig erschien. Dann wird der Satz doch noch vollendet: „… dass es von der Personalabteilung angeschaut wird und dass es die Möglichkeit der Rechtfertigung geben sollte“, lautet schlussendlich die mildere Formulierung. Also könne er (oder sie) zum Status quo nichts sagen. 

Landtagsdirektor Robert Weiß ©Didi Wajand

Zuerst muss einmal ein Saldo gemacht werden.

Robert Weiß, Landtagsdirektor

Ermittlungen? Möglichkeit der Rechtfertigung? Wofür? Den MONAT hatte ein anonymes Schreiben erreicht. Altmodisch, im Postfach 0003 des Autors bei der Hauptpost in Klagenfurt. Unscheinbares Kuvert. Üblicherweise sind anonyme Hinweise nicht sonderlich ergiebig. Dennoch gehen Journalisten, sofern dem Schreiben ein Mindestmaß an Wahrheitsgehalt zugetraut wird, jeder Zuschrift nach. Einmal unterwegs, erkennt man bei solchen Zusendungen oft, dass man auf dem Holzweg ist und leere Kilometer hinter einem liegen. 

Das ist das karge Schicksal des investigativen Journalismus. Nur bei einem Bruchteil der Einsendungen verhält es sich anders. Und das trifft auf einen Gutteil des Briefes zu, der den MONAT erreichte. Denn: Solche „Ermittlungen“, wie es die Auskunftsperson oben zuerst nannte und dann korrigierte, waren beim Land Kärnten tatsächlich im Gang. Und zwar gegen einen hochrangigen Beamten.

Delikate Causa

Besagte „Ermittlungen“ nennen wir der Ordnung halber besser Untersuchung. Es soll nicht der Eindruck erweckt werden, es handle sich um Nachforschungen von Strafbehörden. Darum geht es nicht. Dennoch ist die Angelegenheit heiß und delikat. So delikat, dass sich inklusive des oben erwähnten Gesprächspartners glatte vier Personen nur hinter vorgehaltener Hand mit dem MONAT über die Causa unterhalten wollten. Das ist sehr ungewöhnlich – auf der anderen Seite aber auch verständlich. Denn derjenige, gegen den die Abteilung für Personalangelegenheiten des Landes eine Untersuchung führte, ist niemand geringerer als Landtagsdirektor Robert Weiß. 

Weiß ist einer der höchsten öffentlich Bediensteten des Landes. Sein Arbeitsplatz: der Kärntner Landtag – neben dem Machtzentrum am Arnulfplatz das demokratiepolitische Herz des Landes. Hier werden Gesetze gemacht, es ist die politische Befehlsausgabe des Landes. Ein Bundeslandparlament bestehend aus 36 gewählten Repräsentanten von SPÖ, FPÖ, ÖVP und Team Kärnten. Weiß leitet das Landtagsamt, damit ist er der mächtigste Bedienstete im Landhaus. Gehaltstechnisch sei Weiß in der Hofratsklasse, sagt eine der Auskunftspersonen. Damit ist die Stufe acht gemeint. Es ist die zweihöchste Dienststufe für Kärntner Landesbedienstete. Darüber gibt es nur mehr die „Neuner“, die jedoch ausschließlich dem Landesamtsdirektor (am Arnulfplatz) und seinem Stellvertreter vorbehalten sind. 

LHstv- Martin Gruber ©LDP/Helge Bauer

Es müssen klare Konsequenzen gezogen werden.

LHStv. Martin Gruber, ÖVP

Seit über 20 Jahren ist Weiß Chef im Landtagsamt. Farblich ließe sich bei ihm eine Nähe zur FPÖ erkennen, erklärt sein nächstes Umfeld. Weiß war viele Jahre Garant für Stabilität. Doch nun steht er im Fadenkreuz der Abteilung für Personalangelegenheiten. Alle vier Auskunftspersonen bestätigen unabhängig voneinander Untersuchungen des Landes gegen Weiß. Auch Günther Wurzer, Chef der Personalabteilung, bestätigt die Erhebungen. 

Fragliche Dienstwege

Die Vorwürfe gegen Weiß sind nicht ohne: Ihm wird vorgehalten, eine Vielzahl an „unberechtigten Dienstwegen“ absolviert zu haben, ist dem anonymen Schreiben zu entnehmen. Es spricht von 300 an der Zahl. Dass von dieser Anzahl in den Erhebungen des Landes die Rede war, bestätigen die befragten Auskunftspersonen. Weiß bestreitet diese Anzahl allerdings: „Es gibt hier einen rechtlichen Auffassungsunterschied mit der Personalabteilung“, sagt er. „Ich habe keinen Stellvertreter, ich werde im Urlaub dauernd angerufen.“ Er sei rund um die Uhr für den Job da. Derzeit sei er am Erkunden, von wie vielen vorgeworfenen Fehlstunden überhaupt die Rede sei. „Schauen wir, was unterm Strich übrig bleibt“, sagt Weiß. 

Konkret wird dem Landtagsdirektor von der Personalabteilung vorgehalten, seine Arbeitszeit fehlerhaft eingestempelt zu haben. Wenn er später gekommen sei, habe er beispielsweise erklärt, auf einem Dienstweg gewesen zu sein. Bei diesen Dienstwegen soll es sich unter anderem um Sitzungen in der Landesalarm- und Warnzentrale (LAWZ) gehandelt haben, an denen er teilgenommen habe. Weiß, gelernter Jurist, ist langjähriger Bergretter und laut Kleiner Zeitung auch ausgebildeter Berufsoffizier. Die Erhebungen der Personalabteilung sollen jedoch ergeben haben, dass Weiß nicht in jenem Ausmaß an den Sitzungen der LAWZ teilgenommen haben soll, wie von ihm behauptet. „Er war nur sehr selten und sehr kurz dort“, fasst es ein Gesprächspartner zusammen. Die Erhebungen der Personalabteilung reichen angeblich drei Jahre zurück. Das anonyme Schreiben setzt die möglicherweise von Weiß nicht geleisteten Stunden mit einem sechsstelligen Schadensbetrag gleich. Was Weiß heftig dementiert: „Es ist kein Schaden entstanden“, betont er. 

Günther Wurzer, Personalabteilung ©LPD/Helge Bauer

Wir nehmen allfällige Dienstpflichtverletzungen genau unter die Lupe.

Günther Wurzer, Chef der Personalabteilung
Rasche Lösung

Angefacht von den Recherchen des Kärntner MONAT, kam es zu einem raschen Gespräch der Personalabteilung mit Weiß. Man wollte die Sache wohl aus der Welt haben, bevor das Magazin in Druck geht. Und offenbar ist man dem ein großes Stück näher gekommen. Doch dazu später. 

Weiß´ in Frage stehende Zeiterfassung sei bei einer Überprüfung aufgefallen. Wurzer erklärt, dass neben laufenden Untersuchungen „bei konkreten Verdachtsfällen oder Vorhalten entsprechende Prüfungen durchgeführt werden. Wir nehmen Vorhalte zu allfälligen Dienstpflichtverletzungen sehr ernst und ganz genau unter die Lupe“, so Wurzer.

Aber „nicht alle“ angekreideten Dienstwege von Weiß sollen unberechtigt gewesen sein, sagt eine Auskunftsperson. Zudem soll Weiß durchaus Bedauern signalisiert haben, was auf eine Einsicht hindeuten würde. Dennoch: Einer solchen Einsicht stünde, im Fall der Erhärtung der Vorwürfe, ein Schaden gegenüber. Weswegen man beim Land fieberhaft nach einer Lösung suchte. 

Angesprochen auf den Fall, sagt LH-Stellvertreter Martin Gruber (ÖVP), er ist gemeinsam mit Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) für das Personalreferat zuständig: „Dieser Fall wirft ein falsches Licht auf den öffentlichen Dienst, das sich die Mitarbeiter nicht verdient haben. Es geht hier um das Fehlverhalten eines Einzelnen, während tausende Landesbedienstete täglich ihre Leistung bringen und für die Bevölkerung arbeiten. Deshalb müssen hier klare Konsequenzen gezogen werden.“

Rückzahlung gefordert

Weiß spricht zwar noch davon, dass „man jetzt mal einen Saldo errechnen“ müsse. Also ein Ergebnis brauche, um wie viele Stunden es sich handle, die er falsch eingetragen haben soll. Er redet aber auch bereits davon, dass es im klärenden Gespräch mit der Personalabteilung zum Thema Rückerstattung gekommen sei: Ob diese Rückzahlung über den Verzicht auf seine Überstundenpauschale erfolgen soll? Das sei im Gespräch „so zur Sprache gekommen“, bestätigt Weiß. Ob es auch zu einer Strafzahlung kommen werde? „Wenn der Saldo negativ ist“, sei auch das möglich. Angeblich soll Weiß bei einer Rückzahlung die Überstundenpauschale des letzten Jahres wie auch die künftige opfern müssen. Weiß will den mutmaßlichen Fehlstunden nun Arbeitszeit gegenüberstellen, „die ich im Krankenstand und im Urlaub geleistet habe“. Kurz vor Redaktionsschluss dieses Magazins sollte es auch noch zu einer Präsidiale des Landtags kommen, um auszuloten, ob eine Mehrheit für diese Vorgangsweise gefunden wird.

Ob der Fall vor der Disziplinarkommission landet, erscheint ob der Einsicht von Weiß eher unwahrscheinlich. Wenn doch, ist dort „von Freispruch bis Entlassung“ alles möglich, sagt eine Auskunftsperson. Was man sich beim Land auf jeden Fall ersparen möchte, sei ein Arbeitsgerichtsverfahren mit Weiß, der betont, „seit über 20 Jahren mit allen Parteien gut zusammengearbeitet zu haben“. Er vermute hinter der Sache mitunter, dass man ihn jetzt am Ende „loswerden“ wolle. Weiß ist knapp über 60. Eines hat er jedenfalls geschafft: Die Landesalarmzentrale kurzzeitig ins Landhaus zu verlegen. Der Politik standen wegen der Sache die Schweißperlen auf der Stirn.

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