
Der Lack ist ab!
Villach – Klagenfurt – Tainach: In einer systematischen Recherche entdeckte der Kärntner MONAT mehrere Hypothekarklagen in Millionenhöhe gegen Lilihill-Firmen von Franz Peter Orasch. Jetzt wollen die Kreditinstitute ihr Geld zurück.
Die Lilihill Gruppe ist mit Exekutionen konfrontiert. ©Peter Just/Montage
VON FRANZ MIKLAUTZ
Waren es Russen? Oder doch nur Leute mit der Aufschrift „Russia Geldeintreibung“ auf ihrer Kleidung, die sich in Tainach herumgetrieben haben sollen? Zwei Männer und eine Frau. Die Dame habe nur gebrochen Deutsch gesprochen. Die vermeintlichen Geldeintreiber sollen sich nach einer ganz bestimmten Person erkundigt haben: Franz Peter Orasch. Immobilienfürst außer Dienst – mit ehemaligen Millionenbeteiligungen am Flughafen und an zahlreichen Klagenfurter Prestigebauten in Bestlage wie etwa dem Hotel Moser Verdino, dem Heuplatz 4, in dem sich das Lokal Le Burger befindet, oder am „The Holly“ am Heiligengeistplatz.
Von den „Russia“-Geldeintreibern wusste das Medium MeinBezirk.at als erstes zu berichten. Die mögliche Inkassotruppe habe sich über Telefonnummer und Wohnort Oraschs schlau gemacht. Mehrere Anrainer berichteten Mein-Bezirk.at gegenüber offenbar von ihrer verstörenden Begegnung mit dem Trio. Sogar zu einem Polizeieinsatz sei es deshalb gekommen. Man nahm offenbar an, dass Orasch bedroht worden sein könnte. Allerdings habe die Exekutive einen solchen Einsatz nicht bestätigt, so das Medium.
Hinter der ganzen Aufregung könnte allerdings ein ganz herkömmlicher Versuch eines Gläubigers stecken, aushaftendes Geld von Orasch zu bekommen. Es besteht eine gute Möglichkeit, dass es sich dabei um ein niederösterreichisches Unternehmen handelt, das seinerzeit im Auftrag von Oraschs Orkon Hoch- und Tiefbau GmbH Haustechnik-Arbeiten auf der Baustelle des „The Holly“ am Heiligengeistplatz durchgeführt hatte. Dem Vernehmen nach hat das Gläubigerunternehmen tatsächlich Inkassoexperten engagiert, um Oraschs Vermögenssituation zu klären. Wie das Ergebnis ausfiel, bleibt vorerst im Dunkeln.

In dieser Sache war die Orkon der niederösterreichischen Firma – jedenfalls bis Anfang Februar dieses Jahres – 945.000 Euro für die Arbeiten am „The Holly“ schuldig. Daraufhin schloss man einen prätorischen Vergleich am Bezirksgericht Klagenfurt. Das bedeutet: Die Niederösterreicher setzen keine existenzbedrohlichen Schritte wie etwa einen Konkursantrag gegen die Orkon, dafür sollte Orasch versuchen, die aushaftende Summe aufzutreiben. Ob er sein Obligo beglichen hat, „ist dem Gericht nicht bekannt“, sagt die Leiterin der Medienstelle am Bezirksgericht Klagenfurt, Martina Löbel. Die Niederösterreicher hüllen sich in Schweigen, auch Orasch ließ einen umfangreichen Fragenkatalog unbeantwortet. Einzig der Auftritt des angeblichen Inkassobüros legt die Vermutung nahe, dass die Forderung zumindest zum Zeitpunkt der ersten Berichterstattung von MeinBezirk.at noch ausständig gewesen sein könnte.
Russland. Rund zehn Jahre ist es her, dass Orasch mit seiner Lilihill-Gruppe wie aus dem Nichts in der Kärntner Landeshauptstadt auftauchte und die Immobilienbranche durcheinanderwirbelte. Sofort begann die Gerüchteküche zu brodeln. Jeder wollte es auf einmal gewusst haben: Orasch habe sein Geld aus dunklen Kanälen in Russland, lautete die Fama. Dass sich der Immobilienspezialist im Finanz- und Baugeschäft in Osteuropa auskannte und noch dazu mit René Benko, dem heutigen Milliarden-Pleitier, zusammengearbeitet hatte, unterfütterte die Spekulationen, die sich bis heute nicht bewahrheiteten.
Dabei musste Orasch gar nicht nach Russland reisen, um an frisches Geld für seine Millionenprojekte zu kommen. Ein Businesstrip ins östlichste Bundesland der Republik genügte. Wie der Kärntner MONAT in einer Recherche herausfand, holte sich der Immobilienunternehmer Kapital aus dem Burgenland, um es in seine Projekte zu investieren.
Etliche von Orasch initiierte Immobilien landeten 2023 und 2024 schlussendlich bei der Industriellenfamilie von Erhard Schaschl. Diese übernahm Filetstücke wie das Moser Verdino, das Ibis am Viktringer Ring oder eben das „The Holly“ am Heiligengeistplatz.
Andere GmbHs aber befinden sich noch immer unter Kontrolle Oraschs. Beim systematischen Durchkämmen dieser Firmen, die zumindest für 2022 – der letzten verfügbaren Bilanz – noch deutliche Sachanlageposten auswiesen, zeigt sich, dass sich Orasch Geld von der Hypo-Bank Burgenland oder etwa der Raiffeisenbank Bad Radkersburg-Klöch geholt hat, um seine Immobilienprojekte zu finanzieren. Das Besondere daran: Mehrere Orasch-Firmen, die diese Grundstücke halten, stehen derzeit akkumuliert vor einer Millionenklage. Denn die Banken wollen ihr Geld zurück.
2,8 Millionen bei Raiffeisen. Aber der Reihe nach: Erster Halt in Villach. Hier befindet sich einen Steinwurf von der Drau entfernt eine Liegenschaft in der Peraustraße, die der gleichnamigen Peraustraße 45 Immobilien GmbH gehört. Diese befindet sich über eine Verästelung in Oraschs Eigentum. Für diese Liegenschaft hat sich Orasch aber nicht im Osten der Republik verschuldet, sondern 200 Kilometer weiter südlich: Bei der Raiffeisenbank Bad Radkersburg-Klöch. Die steht mit 2,8 Millionen Pfand im Höchstbetrag im Grundbuch. Orasch ist nun mit einer Hypothekarklage konfrontiert. Das Landesgericht Graz als Oberbehörde des Bezirksgerichts Feldbach, wo die Klage eingebracht wurde, bestätigt den Rechtsgang gegen Orasch.

Der zweite Halt führt nach Klagenfurt. Und zwar in die Villacher Straße. Eine dortige Liegenschaft befindet sich im Eigentum der VIS 37 Immobilien GmbH, die wiederum über eine andere Gesellschaft mehrheitlich Orasch gehört. Über dem Standort schwebt eine Klage der Hypo Burgenland. Die sitzt mit einem Pfand im Höchstwert von mehreren Millionen Euro im Grundbuch. In der Klage geht es um eine Million Euro. „Eine solche ist anhängig“, bestätigt Lukas Belza, Chef der Medienstelle am Landesgericht Eisenstadt. Die Verhandlung habe noch nicht stattgefunden. Oraschs Anwälte bekämpften die Klage derzeit nicht, „die Frist ist aber noch offen“, sagt Belza.
Und dann nur eine Häuserfront weiter zur dritten Station: Eine Liegenschaft ebenso in der Villacher Straße, die mit der vorigen Adresse in einem Gebäude-Ensemble zu finden ist und ebenso Orasch gehört. Auch hier schwebt im gleichen Rechtsgang das Damoklesschwert der Burgenland-Hypo über seinem Besitz.
„Platzlwirt“ in Tainach. Zur vierten Destination geht es in den Bezirk Völkermarkt: In Tainach kauft die DL Dorfplatz Entwicklungs GmbH 2021 zwei Adressen am Dorfplatz auf. Dort befindet sich der „Platzlwirt“. Kaufpreis: 380.000 Euro. Die DL Dorfplatz gehört je zur Hälfte Orasch und seiner Ehefrau, der Winzerin Mirjam Orasch. Der Immobilienkauf wird von der RB Eberndorf finanziert oder mitfinanziert. Jedenfalls steht die Giebelkreuzbank mit einem Pfand im Höchstbetrag von 400.000 Euro im Grundbuch.

Und auch sie will ihr Geld zurück und bringt eine Klage gegen Orasch ein. Dabei geht es um einen Wert von 140.000 Euro. „In dieser Sache gibt es ein Anerkenntnisurteil“, sagt der Leiter der Medienstelle am Landesgericht Klagenfurt, Christian Liebhauser-Karl. „Das heißt, die Beklagten haben den Klagsanspruch anerkannt.“ Die Klage wurde schon im Oktober eingereicht. Das Urteil ist erst einige Wochen alt. Der Klagswert von 140.000 Euro könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich der Rechtsanwaltstarif nach diesem Wert bemisst. Schraubt man diesen in die Höhe – sofern eine noch höhere Summe aushaftet – kostet der beigezogene Anwalt mehr. Andererseits hat man bereits bei einem Wert von 140.000 Euro ein bestimmendes Urteil.
Salzamt. Bereits im Mai war ein Klagsfall aufgetaucht: Beim sogenannten Salzamt im Klagenfurter Landhaushof ist die dazugehörige Orasch-Firma, die LHH3 Immobilien GmbH, von einer Millionenklage bedroht. Auch hier klagt die Hypo Burgenland, und auch hier geht es um eine Million Euro. Die Klage ist beim Landesgericht Klagenfurt eingebracht worden. Verhandlung fand noch keine statt, die erste Tagsatzung dürfte aber kurz bevorstehen.
Auf dem Salzamt lastet weiters eine Exekutionsbewilligung von rund 62.000 Euro zugunsten der Stadt Klagenfurt, weil Orasch Abgaben schuldig geblieben war. Der MONAT berichtete exklusiv.

Bei der LHH3 Immobilien GmbH hat Orasch unlängst den Bilanzstichtag vom 31. Dezember auf den 30. April verlegen lassen. Das habe aber vermutlich nichts mit etwaigen Zahlungsproblemen zu tun, sagt Ulrich Krassnig, Geschäftsführer der Grant Thornton Alpen-Adria Wirtschaftsprüfung. So eine Stichtagsverlegung komme manchmal bei Tourismusbetrieben vor, damit diese sich nicht in der Hochsaison im Februar oder März mit der Bilanz befassen müssten. Warum Orasch die Bilanzstichtagverlegung durchgeführt habe, „kann man sich nur im Einzelfall ansehen“.
Ende Juni ließ Orasch mit einem Vorschlag aufhorchen: Er wolle der Stadt Klagenfurt ihre Anteile am Flughafen abkaufen. Sie solle über einen Preis für die 20 Prozent nachdenken und er werde über seine Gesellschaft Lilihill Aviation City Beteiligung GmbH ein Kaufanbot legen. Ein mutiger Vorschlag, hat Orasch doch 2023 per Call-Option seine damaligen Airport-Anteile an Land und Stadt abgeben müssen, da er nicht die nötigen Passagierzahlen erreichte. Er bekämpft die Abnahme der Anteile derzeit vor dem Handelsgericht Wien.
Exekutionstitel. Doch nicht nur die Banken wollen Geld von Orasch. Auch kleinere Unternehmen, die ihre Forderungen beglichen haben möchten, stehen vor der Tür. Am Weingut Domäne Lilienberg hat die Kärntner Landesversicherung eine Exekutionsbewilligung in Höhe von rund 4200 Euro erwirkt. Auch hier sitzt übrigens die RB Bad Radkersburg mit einem Pfand im Höchstbetrag von vier Millionen Euro im Grundbuch. In der Villacher Straße hat eine Architektenvereinigung ein Pfandrecht auf rund 11.000 Euro. Gleichzeitig will eine Reinigungsfirma 2100 Euro sehen. Im Nebengebäude sind ebenfalls 2100 Euro zugunsten einer Kältetechnik-Firma fällig. Und bei einem Haus am Villacher Ring, das zu Oraschs Stapledon Holding gehört, ist Orasch einen Kleinbetrag von rund 900 Euro schuldig.
Bleibt nur der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass diese Firmen nicht alle Inkassobüros engagieren. Und schon gar nicht welche mit russischem Anstrich.
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