Hilde Dalik: „Manchmal kracht’s eben!“
Zum Filmstart von „Wie kommen wir da wieder raus?“ überlegen wir mit Hilde Dalik, in welche Zukunft ihre Tochter blicken kann.
Hilde Dalik © Elsa Okazaki
Sissy ist die Neue, Wanda und Harald – das ist vorbei. Oder doch nicht? Ist Fatima nun eine Muslima oder doch wieder Nina? Und ist es okay, dass Peters Ivana Spanferkel zum veganen Weihnachtsschmaus auf den Tisch zaubert? Mit welchen Familienspektakeln rechnen Sie zu Weihnachten? Genießen Sie vorab Eva Spreitzhofers neuen Film „Wie kommen wir da wieder raus?“ – daraus entstammen die zuvor genannten Figuren, und die kreativsten Verbalattacken Ihrer pubertierenden Kinder und die verbrannteste Gans werden Ihnen wie ein Spaziergang vorkommen. Ein Interview mit Schauspielerin Hilde Dalik.
Eine köstliche Komödie mit Tiefgang. Worum geht es für dich im Film?
Hilde Dalik: Um eine Patchworkfamilie, deren Mitglieder nicht unterschiedlicher sein könnten und die zum Weihnachtsessen zusammenkommt. Mich stimmt er zuversichtlich, dass man noch so unterschiedlich denken kann, man immer etwas findet, das verbindet. Manchmal ist es auch besser, gewisse Themen zu meiden, und manchmal kracht’s eben (lacht).
Es werden wichtige Themen mit viel Leichtigkeit behandelt. Worin liegt für dich die Kraft von Humor, hat er Grenzen?
Der Schauspieler Ricky Gervais hat etwas Gescheites dazu gesagt: Humor darf keine Grenzen haben, aber es ist entscheidend, ob der Witz von einem guten Platz im Herzen kommt oder nicht. Humor hat etwas Heilendes und Befreiendes, gerade in schwierigen Situationen. Für mich liegt die Grenze dort, wo ich jemanden verletze. Das ist nicht einfach, weil das bei jedem woanders ist. Ich finde jedenfalls Menschen super, die über sich selber lachen können.
Der Film blickt auch pointiert kritisch auf die Pandemie zurück. Seither gibt es leider noch mehr Krisen und Katastrophen. Wie erlebst du das?
Als Corona ausbrach, habe ich mir gedacht: Es kann nicht schlimmer werden. Seither kam immer noch etwas dazu: zuerst der Angriff auf die Ukraine und seit 7. Oktober eine weitere menschliche Katastrophe (Krieg im Nahen Osten, Anm.).
Soziale Medien bieten ständig die Möglichkeit, einen Senf abzugeben; man muss sich nicht zu allem positionieren, vor allem nicht unreflektiert, nur um Likes zu bekommen. Klar einstehen sollte man für den Frieden und die Wissenschaft. Wenn ich an meine und die Zukunft unserer Tochter denke, reicht mir schon der Klimawandel, um verzweifelt zu sein. Zu dem Thema haben wir kürzlich Vizekanzler Werner Kogler und Bundesministerin Leonore Gewessler getroffen.
Man muss nicht zu allem einen Senf abgeben. Klar
Hilde Dalik
einstehen sollte man für den Frieden.
Worum ging es dabei?
Valerie Huber und Fridays For Future haben einen offenen Brief mit sieben Forderungen an die Bundesregierung verfasst (nachzulesen auf fridaysforfuture.at); daraufhin kam von den Grünen eine Einladung zu einem Treffen. Ich war gemeinsam mit den Schauspielkolleginnen Lilian Klebow, Verena Altenberger und Valerie Huber dort und wir hatten das Gefühl, dass unser Wunsch nach schnellerer Veränderung zumindest von einem Teil der Bundesregierung wahrgenommen wurde. Ich verstehe nicht, warum da nicht alles getan wird? Wir haben doch während der Coronazeit gesehen, wie schnell Gesetze geändert werden können.
Der Ausnahmesommer 2023, Sommerblumen im November. Es ist schwer zu verstehen, warum nicht alle den Klimawandel ernst nehmen.
Selbst wenn ich nicht an den Klimawandel glaube, was absurd ist, weil er vielfach von der Wissenschaft erforscht und belegt ist, gibt es viele Dinge, die man trotzdem tun kann, weil sie zu einer besseren Welt beitragen: Ich kann versuchen, Verpackungen zu vermeiden, und wenn ich auf der Autobahn maximal mit 100 km/h fahre, ist der zeitliche Verlust minimal, aber man spart Sprit und Geld. Wenn die Menschen davon reden, dass sie ihre Heimat bewahren wollen, muss es doch in ihrem Interesse sein, die Wälder zu schützen. Ebenso bewiesen ist, dass es in Wohnungen in der Stadt, die nicht von Bäumen umgeben sind, im Sommer viel heißer ist. Ich verstehe nicht, wer sich gegen mehr Grün und Lebensqualität wehren soll? Das Gleiche gilt für Lebensmittel: Wer will gestresstes Fleisch voller Antibiotika essen?
Du ernährst dich vegan, richtig?
Ja, ich esse nur manchmal Eier, am ehesten wenn die Nachbarn von Michi in der Steiermark (Lebenspartner und Schauspieler Michi Ostrowski, Anm.) uns welche bringen.
Wie macht ihr das mit der Ernährung von eurer Tochter Cosima?
Wenn sie Lust hat, bekommt sie Fleisch, aber das ist eigentlich selten der Fall. Ich bin keine Vegan-Missionarin, ich sage einfach gerne, dass es hervorragende Alternativen gibt. Wir könnten es so machen wie unsere Großeltern: Fleisch immer nur sonntags. Ich respektiere es, wenn es heißt, Fleisch sei als Lebensmittel wichtig. Aber: Massentierhaltung? Tiere, die quer durch Europa mit dem Lkw transportiert werden? Das sehe ich nicht ein.
Wir bemühen uns, das Richtige zu tun, aber ich fühle mich von der Bundesregierung auf den Arm genommen, wenn es nicht einmal gelingt, den Ausstieg aus fossilen Energien zu beschleunigen.
Cosima „spielte“ in „Der Onkel“ als Baby mit, diesmal hat sie eine Sprechrolle. Wie kam es dazu?
Eva Spreitzhofer (Filmemacherin, Anm.) hat gefragt, ob ihr das taugen würde, sie hat sofort Ja gesagt. Ich glaube, das hat viel damit zu tun, dass sie bei Mama und Papa bei der Arbeit dabeisein möchte, das wollte ich auch immer.
Was machen deine Eltern beruflich?
Mein Vater ist Psychotherapeut, da war ich natürlich nie dabei (lacht). Aber er hat zunächst die Baumaschinenfirma meines Großvaters geleitet, Kräne und Bagger fanden mein Bruder und ich interessant. Meine Mutter hat Medizin, dann Philosophie studiert und später noch eine Ausbildung zur Validationsanwenderin gemacht. Sie hat in Altersheimen gearbeitet; das fand ich toll, wie sie es mit einer eigenen Technik und viel Empathie geschafft hat, mit alten Menschen, die teilweise nur einen Satz monoton wiederholt haben, zu kommunizieren.
War eure Cosima von Anfang an am Set dabei?
Sie war schon als Baby mit. Als ich die „Vorstadtweiber“ gedreht habe, war sie mit der Babysitterin im Wohnwagen und ich konnte sie zwischendurch auch stillen. Irgendwann hat sie gesagt, sie will Schauspielerin werden. Aber sie will auch andere Sachen werden (lacht). Sie war jetzt beim Filmdreh drei Jahre alt, Michi und ich waren dabei und ich hatte immer das Gefühl, dass sie gut aufgehoben ist und Eva auf eine extrem liebevolle Art das aus ihr rausholen kann, was sie für den Film braucht.
Wie war der Dreh?
Aufregend! Wir sind schnell draufgekommen, dass es nicht ums Funktionieren gehen kann, sondern darum, dass Cosima eine Atmosphäre hat, in der sie sich möglichst frei fühlt. Wir Schauspieler*innen lernen, uns auch in Stresssituationen so zu entspannen, dass wir eine Figur spielen können, das kann ein Kind natürlich nicht. Wir haben es dann so gemacht, wie man es von Drehs mit Tom Cruise hört: Bitte Ruhe, bitte nicht in die Augen schauen (lacht). Dazu kam, dass Schauspieler*innen selten Kostüme haben, die zur Außentemperatur passen. Es war warm, Cosima musste eine dicke Jacke tragen, sie protestierte zum Glück nicht.
Welche Überlegungen habt ihr für die Zukunft für sie?
Sie soll machen, worauf sie Lust hat – wenn wir das auch für richtig erachten und es ihr ermöglichen können, aber es soll spielerisch sein. Sollte eine Anfrage kommen, werde ich sie wieder fragen. Sie hat ohnehin eine starke Meinung, ich könnte sie zu nichts überreden (lacht).
Du hattest auf Canal+ eine spannende Talkreihe, „StreamTalks“ (nachzusehen via canalplus.at), aktuell spielst du auch in „Bergdoktor“ – und es gibt weitere Filmprojekte. Am Theater erlebt man dich gerade nicht, ein bewusster Schritt?
Ich war neun Jahre im Ensemble der Josefstadt und noch ein Jahr als Gast, in dem ich mit Otto Schenk „Schon wieder Sonntag“ gespielt habe. Die Angebote danach waren nicht so, dass sie mich künstlerisch herausgefordert hätten, also habe ich den Sprung ins kalte Wasser gewagt, freie Schauspielerin zu sein. Ich würde auch wieder Theater spielen, wenn etwas Interessantes kommt. Seither kamen aber viele Anfragen für Film und Fernsehen, was echt ein Glück ist. Ich habe viele Kolleg*innen, die richtig gute Schauspieler*innen sind, aber zu kämpfen haben.
Wie feiert ihr Weihnachten?
Wir haben die Wohnung gemietet, in der wir den Film gedreht haben, dort werden alle Schauspieler*innen gemeinsam feiern.
Echt jetzt?
Nein, das war ein Witz (lacht). Wir haben eine große Patchworkfamilie und werden versuchen, alle in Wien, der Steiermark und in NÖ zu treffen. Viel Vorausplanung gibt es bei uns nicht, obwohl es das Leben erleichtern würde (lacht). Am 24. werden wir vermutlich mit Cosima und allen Kindern, die teilweise schon erwachsen sind (Michi Ostrowskis drei Kinder, Anm.), kochen, essen, singen und tanzen. Das ist das Schöne an Weihnachten: Zusammensein ohne Termine.
Weitere Artikel zu diesem Thema
Abo